Weihnachten
lag nun auch schon wieder gut 2 Monate zurück, und wir steuerten auf
Kai-jin's Geburtstag zu. Nach dem tollen Heiligabend-Erlebnis, habe ich
lange mit mir gerungen, denn so manche Frage brannte mir noch lange unter
den Nägeln, aber Kai-jin hatte mich gebeten keine Frage zu stellen. Ich
muß zugeben, das mir das sehr schwer gefallen ist, noch heute würde ich
gerne über das eine oder andere reden, aber da Kai-jin sich dazu nie
geäußert hat, habe ich es auch nie getan. Manches mal, wenn wir ganz unter
uns waren und Arm in Arm ein bißchen schmusten, dann mußte ich mir schon
ganz schön auf die Zunge beißen um nicht doch zu fragen. Aber vielleicht
war es gut so, das ich es nie getan habe. Vieles wird sicherlich immer ein
Rätsel beiben, aber braucht nicht jede Beziehung auch ein kleines
Geheimnis? Und noch etwas habe ich beherzigt. Nie wieder habe ich meine
Schwester Katrin genannt. Anfangs versuchte meine Mutter mich hin und
wieder dazu zu bringen meine Schwester doch bitte mit dem richtigen Namen
anzusprechen, aber ich blieb standhaft. Ich gebe zu, manches mal hätte ich
mich versehentlich schon fast verplappert aber im letzten Moment gelang es
mir dann doch immer, sie mit Kai-jin anzusprechen, was sie jedesmal, wenn
Kai-jin einen dieser Fast-Patzer bemerkte, mit einem süßen Lächeln
honorierte.
Seit Weihnachten hatten wir nicht mehr miteinander geschlafen. Entweder
hatte sich nicht die Gelegenheit dazu geboten, aber wahrscheinlicher war
wohl, das wir auch nach dem letzten sehr angenehmen Erlebnis noch eine
ganze Weile brauchten, um wirklich wieder zueinander zu finden. Dafür war
aber unsere Freundschaft deutlich gewachsen. Wir verbrachten noch mehr
Zeit miteinander, lernten viel gemeinsam für die Schule, und neben drei
mal die Woche Training beim Meister gingen wir nun auch noch zweimal die
Woche zum Tanzen. Wenn es uns eben möglich war, gingen wir die gut 5 km
nach Limburg zu Fuß, wir wollten nicht, das meine Mutter uns fährt. Wir
genossen einfach nur den gemeinsamen Spaziergang, sonst passierte dabei
aber nichts. Ein paar Mal waren wir von Leuten aus der Nachbarschaft
gesehen worden, wie wir Arm in Arm an der Lahn entlangschlenderten, aber
wir gaben darauf nicht viel. Einmal machte sogar meine Mutter uns
gegenüber eine Bemerkung, so nach dem Motto, wir benähmen uns wie ein
Liebespaar, ob sie sich etwa Sorgen machen müßte. Wir verneinten beide
heftig, und damit war meine Mutter zum Glück beruhigt. Gegenüber Nachbarn
und Bekannten erzählte sie gerne von der tollen geschwisterlichen
Beziehung, die wir beide hatten, was uns den Freiraum gab, manche Dinge
auszuleben, die man sonst sicherlich argwöhnisch beäugt hätte. Selbst die
gelegentlichen Küsse, die ich Kai-jin hin und wieder sogar im Beisein
meiner Mutter gab, quittierte sie nach einiger Zeit nur noch mit einem
Lächeln.
Und noch etwas genz bedeutendes war passiert. Vielleicht etwas früh,
vielleicht sogar etwas schmerzhaft, vielleicht haben wir es auch damals
gar nicht so verstanden, aber eines war nun wirklich ganz gewiss, unsere
Kindheit war vorbei. Erst Jahre später, jetzt wo ich über so vieles
nachdenke, und mir alles von der Seele schreibe wird mir das vielleicht
erst bewußt, aber es war tatsächlich so, mit 13 war unsere Kindheit
endgültig vorbei. Dazu trugen sicherlich noch andere Ereignisse bei, aber
die will ich hier noch nicht erzählen. Alles immer schön der Reihe nach!
Nun wie bereits erwähnt steuerten wir auf Kai-jins dreizehnten Geburtstag
zu. Leider lag dieser Tag mitten in der Woche, es würde also direkt an
ihrem Geburtstag keine Party geben. Aber Kai-jin hatte sowieso keine Lust
auf eine tolle Party, denn Karneval war gerade vorbei, und der wurde bei
uns in der Gegend sowieso immer recht heftig gefeiert, und so stand zu
befürchten, das bei einer Party nicht viele erschienen wären, da ihnen der
Karneval noch in den Knochen steckte. So hatte sich meine Schwester für
ein gemütliches Kaffetrinken am Nachmittag entschieden. Dazu hatten wir
nur eine Handvoll gute Freunde aus dem Sport, vom Tanzen und aus der
Schule eingeladen. Mein Vater war mal wieder irgendwo im Dschungel von
Brasielien unterwegs und konnte zum Geburtstag seiner Tochter nicht
erscheinen. Dieses mal ließ er aber nicht mal von sich hören. Die
Enttäuschung darüber war groß, auch bei meiner Mutter. Der Geburtstag
selbst war ein ruhiger Tag. Sehr kalt und klar, ein echter Winter Februar
Morgen eben. Morgens gratulierte zunächst einmal die ganze Familie,
überreichte ein paar kleine Präsente, dann gab es Frühstück und dann ging
es erst mal zur Schule. Auch hier die üblichen Prozeduren. Gratulationen
von Lehrern und Schülern, ein Geburtstagsständchen in der Klasse, was ich
nebenbei gesagt ziemlich doof und kitschig fand, und die obligatorische
Hausaufgabenbefreiung für das Geburtstagskind.
Am Nachmittag kamen dann die ersten Freunde und Mutter tischte Kaffe und
Kuchen auf. Es wurde ein recht ausgelassener Nachmittag, aber schon bald
bildeten sich die ersten Cliquen. Meist saßen die Jungen in einer Gruppe
zusammen und die Mädels in einer weiteren Gruppe. Selbst meiner Mutter
fiel das auf, und sie meinte wir sollten die Runden doch mal mit einem
Spielchen ein bißchen auflockern. Zu Anfang fanden das einige ziemlich
blöd, aber als wir auf die Idee kamen, eine Runde Flaschendrehen zu
spielen, waren dann doch alle geneigt mitzumachen. Also setzten wir uns in
einer großen Runde auf den Fußboden des Partykellers und spielten
drauflos. Meine Mutter merkte schnell, daß wir sie als Störfaktor
empfanden und zog sich in die Küche zurück, um das Abendessen
zuzubereiten. So begannen wir also unser Spiel.
Zunächst fingen wir mit kleinen Gemeinheiten an. So ließ ich eines meiner
Opfer ein rohes Ei trinken, Tim, ein Trainingskamerad verlangte von Rosa
eine Kuß, den sie ihm zu meinem Erstaunen auch bereitwillig gewährte und
Benjamin ein Kollege vom Tanzen, der ein bißchen älter war, wollte endlich
genau wissen ob seine Tanzpartnerin Christiane immer einen BH trug. Damit
hatten wir nun endlich alle richtig Spaß an der Sache, selbst Rosa, meine
sonst so ruhige Schwester dachte sich immer wieder neue kleine erotische
Spielchen aus, um die Atmosphäre ein bißchen anzuheizen. Knisternde
Spannung lag in der Luft, und wie bei Jugendlichen und Teenagern in diesem
Alter so üblich, überwog die Neugier, so daß wir immer neue Sachen
ausprobierten. Tim der schon 16 war, war besonders neugierig auf Rosa, die
in unserer Runde die jüngste war. Er hatte mir schon mehrfach zu verstehen
gegeben, daß er Rosa besonders attraktiv fand. Das konnte ich gut
verstehen, denn ihre indische Abstammung verlieh ihr in dieser Runde die
Rolle der Exotin. Erstaunt war ich nur, wie die gerade mal 12 Jahre alte
Rosa dieses Spielchen mitmachte.
Robert, ein weiterer Trainigskamerad wollte Kai-jin einen auswischen und
verlangte, daß Kaijin dem nächsten Jungen, auf den die Flasche zeigen
würde, für 5 Minuten in den Abstellraum folgen mußte, und alles mitmachen,
was dieser verlangte. Sein roter Kopf verriet eindeutig was er dabei für
Hintergedanken hatte. Man sah ihm förmlich an, wie sehr er darauf hoffte,
das ihn die Flasche traf. Und er hatte tatsächlich das Glück, das die
Flasche bei ihm stehenblieb. Ein Raunen und Grinsen ging durch die Reihen.
keiner rechnete damit, daß nun viel passieren würde, aber Kai-jin stand
auf, nahm ihn bei der Hand, und gemeinsam verließen sie den Partykeller.
Die gingen tatsächlich in den Abstellraum, wie von Robert gefordert. Ich
konnte es nicht fassen, das Kai-jin da mitmachte. Ich spürte Eifersucht in
mir aufsteigen. Wie gerne wäre ich derjenige gewesen, der mit Kai-jin in
der dunklen Abstellkammer verschwunden wäre. Was machten die da jetzt
bloß. In Gedanken versunken hörte ich nur den spöttischen Ruf von Rosa,
"da müßt ihr jetzt 5 Minuten bleiben, ich schaue auf die Uhr."
Was besseres als das die gewissenhafte Rosa darauf aufpasste, das die 5
Minuten eingehalten werden konnte Robert eigentlich nicht passieren, denn
so waren er mit Kai-jin garantiert ungestört. Für mich begannen quälende
Minuten. Immer wieder fragte ich mich, was dort wohl nun passieren würde.
Würden sie sich küssen? VIelleicht sogar mehr?
Ach was, versuchte ich mir einzureden. Gleich geht die Tür auf, und einer
von beiden verläßt den Raum. Doch nichts passierte. Die Tür blieb fest
verschlossen.
"Was die da wohl treiben?" durchbrach Tim nach einiger Zeit die Stille,
"soll ich mal lauschen?" Doch Rosa hielt ihn zurück, legte ihren Arm um
Tim, an dem sie offensichtlich Gefallen fand, und hielt ihn so davon ab,
meine Schwester und Robert in der Abstellkammer zu belauschen.
Ich horchte auf jedes Geräsch, das ich vernahm, suchte nach Lauten, die
ich irgendwie mit Robert und meiner Schwester in Verbindung bringen
konnte. Doch nichts war zu hören. Alle Partygäste starrten gespannt auf
die Tür zum Abstellraum. Keiner sagte auch nur ein Wort. Nur das
gleichmäßige Atmen der verschiedenen Leute war zu vernehmen. Benjamin und
Christiane nahmen die Situation zum Anlaß eine wilde Knutscherei zu
beginnen, und auch Rosa kuschelte sich immer enger an Tim. Wie konnten die
das jetzt nur tun? Ich wurde nervös, mir wurde heiß, mir wurde kalt. Was
hätte ich jetzt darum gegeben durch Wände sehen zu können. Was stellte
Robert dort bloß mit meiner Schwester an. Ich kochte vor Wut. Doch ich
konnte nichts tun, wollte ich nicht der totale Spielverderber sein. Die
Zeit verrann nicht, sie floß langsam träge und zähflüssig wie dicker Sirup
dahin.
Ich konnte nich anders, "Rosa wie lange noch?" fragte ich meine andere
Schwester.
"Noch eine Minute", raunte sie mir zu.
Wieder Schweigen, eine endlose Minute.
Dann endlich die Erlösung. "Die Zeit ist um!" schrei Rosa Richtung Tür. Es
dauerte noch mal einen Moment, dann wurde die Tür endlich geöffnet.
Entsetzt starrte ich Robert und Kai-jin an. Ihre Klamotten waren total
zersaust. Kai-jins Haare zerwühlt. Blinzelnd kamen die beiden aus dem
dunklen Raum. Pfiffe gellten durch den Raum. Gelächter brach aus. Sprüche
vielen, und Robert grinste stolz. Kai-jin lehnte sich an seine Schulter
und gab ihm einen Kuß. Ja, sie tat es wirklich, sie gab Robert einen Kuß,
hier vor allen Leuten auf der Party.
Ich schäumte vor Wut. Aber was konnte ich mir schon anmerken lassen. Ich
fühlte mich gequält, gefoltert. Meine Stimmung war längst weit unter dem
Nullpunkt. Was für eine Scheiß Party!
Die anderen sahen das wohl nicht so. Gelächter, ein Spruch folgte auf den
nächsten, nur ich, ich hatte die Schnauze voll.
Plötzlich klopfte mir jemand auf die Schulter, es war Robert.
"Deine Schwester küßt fantastisch!"
Ich schlug zu. Schnell, hart, brutal und blindlings!
Robert sackte schreiend zusammen. Stille im Raum, alle starrten mich an.
"Spinnst Du!" schrie Katrin mich an.
"Du Schlampe!" zischte ich ihr wütend entgegen. und rannte aus dem
Partykeller.
"Was war das denn jetzt, hörte ich Robert sagen, der sich langsam wieder
aufrichtete. Mehr sah ich nicht mehr, dann viel die Tür hinter mir zu und
ich verschwand in meinem Zimmer. Noch immer war ich furchtbar wütend.
Ich saß auf meinem Bett, lauschte den Geräuschen im Keller und war
frustriert. So ein Scheiß Tag!
Am Essen nahm ich nicht Teil, sollten die sich da unten doch vergnügen,
ich hatte die Schnauze voll.
Als es dunkel wurde, hörte ich, wie sich die Gäster verabschiedeten, doch
ich blieb in meinem Zimmer, schmollte und ging schließlich hungrig wie ich
war mit knurrendem Magen schlafen. Aber ich konnte nicht so recht
einschlafen. Ich lag im Bett und fragte mich, was Kai-jin und Robert wohl
in diesen 5 Minuten angestellt hatten, als es plötzlich leise an meiner
Zimmertür klopfte.
Aber das ist eine andere Geschichte, die gibt es ein anderes Mal.
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