In wenigen Stunden würde sie schwitzend in der Sonne
liegen.
Wer braucht schon Weihnachten? Wer erträgt schon so viel Liebe? Die Liebe
der anderen.
Einen Tag vor Weihnachten hatte sie eine merkwürdige Begegnung.
Wie jeden Tag seit ihrer Ankunft lehnte sie am Tresen der Hotelhalle und
wartete auf den netten Porte, der sie gegen ein Lächeln, das fast schon
ein Versprechen war, kostenlos in den Massageraum ließ. Wo schon der
nächste nette cubano wartete, um ihren inzwischen leicht krebsroten Körper
zu bearbeiten.
Sie scherzte zwanglos mit dem Porte, als dieser kam. Beugte sich zu ihm
über den Tresen. Wie unbeabsichtigt presste sie ihren Busen auf die
Tischplatte und lachte laut über seinen Witz, den sie kaum verstand. Das
war egal, diese Sprache ist international und diese Sprache beherrschte
sie.
Nach einer Weile begriff sie, dass er sie einladen wollte, mit ihm am
Abend in die kleine Strandbar zu gehen. Warum nicht, dachte sie und sagte
lachend:
"Vamos a ver." Was so viel hieß, wie: Warten wir´ s ab!
Ja, warum nicht. Er war ganz süß, vielleicht ein bisschen zu jung,
vielleicht ein bißchen zu offensichtlich hinter ihrem Geld her, aber was
soll ´s.
Warum? meldete sich eine Stimme in ihrem Inneren. Warum spielst du schon
wieder dieses Spiel? Weißt du noch immer nicht, wonach du suchst?
Halt´ s Maul! dachte sie und schüttelte ihr blondes Haar, als könne sie so
ihre Gedanken vertreiben.
Was will ich schon? Du Moralapostel, gönn mir den Spaß!
Der Porte ließ sie allein, wollte nachsehen, ob der Masseur Zeit hätte für
sie.
Locker lehnte sie am Tresen. Da realisierte sie, was sie die ganze Zeit
gefühlt hatte. Augen. Jemand beobachtete sie.
Sie drehte sich um.
Da, auf der Couch in der Lobby saß ein älterer Mann. Er starrte sie an,
mit einem Blick, der keinen Zweifel an seinen Gedanken ließ. Auch als er
sah, dass sie ihn entdeckt hatte, ließ er seine Augen völlig ungeniert
über ihren Körper wandern. Jetzt ein leichtes Lächeln in seinen
Mundwinkeln. Entspannt schlug er die Beine übereinander, ließ sich ins
Polster zurücksinken und senkte seine Augen in ihr Dekollete. Hob sie dann
und sah ihr direkt in die Augen.
Was soll das? dachte sie und konnte sich diesem Blick doch nicht
entziehen. Einen Moment starrte sie zurück, bis der Ruf des Masseurs sie
in die Realität zurückholte. Sie schluckte und löste sich von diesen
Augen.
Wütend blitze sie ihn noch einmal an, bevor sie sich abwandte. Was bildet
der sich ein? Mich einfach so mit den Augen auszuziehen!
Und doch wich die Unruhe, die dieser Blick in ihr ausgelöst hatte, lange
Zeit nicht von ihr.
Später lag sie am Strand, im Schatten der einzigen Baumes weit und breit.
Ihr Lieblingsplatz.
Eine Weile las sie in ihrem Buch, bis es ihr zu heiß wurde und sie in den
Atlantik lief. Wie immer fasziniert von diesem Farbenspiel sich eine Weile
von den Wellen treiben ließ.
Als sie aus dem Wasser kam, stand neben ihrer Liege eine zweite. Leer.
Suchend sah sie sich um, aber niemand war da.
Sie ließ sich von der sonne trocknen, gab sich dem Geräusch des Meeres hin
und schlief darüber ein.
Als sie die Augen öffnete, sah sie direkt in die Augen des Fremden, der
neben ihr auf der zweiten Liege saß und sie wieder so intensiv ansah.
"Starren Sie eigentlich fremde Frauen immer so an?" giftete sie ihn an.
"Eigentlich nicht" lachte er " Nur wenn ich merke, es gefällt ihnen."
"Aha. Und darf ich fragen, woraus Sie auf diese Erkenntnis schließen?" Was
für ein dreister Kerl!
"Fragen darfst du mich alles. Nur eine Antwort solltest du nicht immer
erwarten."
Jetzt lachte er laut und beugte sich noch tiefer über sie.
"Eine Frau wie dich erkenne ich, glaub einem alten Mann. Und es sollte
mich wundern, wenn dir das nicht gefallen würde."
Sie sprang auf, griff ihr Handtuch und fauchte ihn mit blitzenden Augen
an:
"Na, wie schön! Das erspart uns das kennen Lernen. Ich bin wirklich schon
origineller angegraben worden. Kerle wie dich erkenne ich auch. Du musst
es ja sehr nötig haben."
"Nicht nötiger oder weniger nötig als du." sagte er, während sie wütend
ihre Sachen in die Tasche warf.
"Na dann, schönen Tag noch." rief sie zornig im Weggehen.
Auch wenn sie sich nicht umdrehte, verstand sie seine Antwort:
"Es war mir ein Vergnügen. Bis später."
"Träum weiter!" murmelte sie leise.
Spät in der Nacht saß sie mit diesem Jungen von der Rezeption in der
Strandbar. Laute kubanische Rhythmen machten jede Konservation
überflüssig. Sie hatte ihr Haar hochgesteckt, trug ein schulterfreies,
tief ausgeschnittenes Oberteil. Die Nacht war ihre. Sie klebte an ihrer
feuchten Haut, hing in der Haarsträhne, die sich im Nacken gelöst hatte.
Verspielt klimperte sie mit den Eiswürfeln in ihrem Glas, versuchte die
Langeweile zu verbergen, die dieser Jüngling in ihr auslöste. Die
Kombination aus Hitze und Alkohol tat ihr Übriges. Ihr Lachen zu laut, die
Gesten zu eindeutig.
Sie hatte keine Lust, ließ sich dann doch zum Tanzen überreden. Der junge
Mann gab sich alle Mühe, ihr den Sex des Rhythmus mit seinem Körper zu
vermitteln. In seinen Augen stand bereits die Hoffnung und müde lächelte
sie zurück.
Da entdeckte sie ihn.
Er saß in der hintersten Ecke, sie konnte ihn kaum erkennen, aber sie
fühlte schon wieder seinen Blick.
Und jetzt genoss sie ihn. Plötzlich änderte sich ihr Lächeln. Sie ließ
ihren Rücken gegen den Porte sinken, rieb ihren Hintern an seinem Schwanz,
feste Hände griffen ihre Hüften. er konnte sein Glück kaum fassen, als sie
anfing sich der Musik und diesen Augen hinzugeben. Während sie sich an den
Hals des Kubaners hängte, wanderte ihr Blick immer wieder in diese Ecke,
in der sie ihn ahnen konnte. Sie tanzte längst für ihn.
Auch ihr Lachen an der Bar schenkte sie ihm, der jetzt seinen Platz
gewechselt hatte und ihr direkt gegenüber saß.
Der junge Kubaner griff einen Eiswürfel aus seinem Glas und warf ihr
diesen direkt in den Ausschnitt. Sie angelte ihn raus und steckte ihn
zwischen ihre Lippen, während sie dem Fremden zum ersten Mal direkt
provozierend in die Augen sah.
Du kennst mich? Na dann lass uns spielen, sagte ihr Blick.
Er sah sie nur an, ruhig und ohne Regung in seinem Gesicht. Unsicher
senkte sie die Augen.
Der Kubaner wurde jetzt dreister, ständig versuchte er sie zu küssen.
Immer wieder entzog sie sich seinen Händen. Nach einer Weile blickte sie
auf und sah enttäuscht, dass der Barhocker leer war, auf dem er eben noch
gesessen hat.
Sie beschloss ins Hotel zu gehen, aber der Mann an ihrer Seite wollte sich
nicht abschütteln lassen.
Eine Weile diskutierte sie mit ihm, versuchte ihm immer wieder
klarzumachen, dass sie jetzt gehen will. Allein. Ohne ihn.
Himmel, dachte sie. Die Geister, die ich rief...
Genau in dem Moment legte sich eine Hand von hinten bestimmend um ihren
Oberarm.
"Wir gehen." Ohne zu zögern rutschte sie vom Barhocker und ließ sich von
ihm wegziehen.
Der kleine Kubaner fing an zu diskutieren, wollte sie festhalten. Hilflos
stand sie zwischen den beiden Männern. Der Fremde sagte etwas im besten
Spanisch zu ihrem Möchtegernliebhaber, woraufhin dieser zähneknirschend
von ihr abließ.
Als sie dem Krach ein Stück weit entflohen waren, schon auf dem langen
Steg über dem Meer liefen, fragte sie ihn:
"Was hast du ihm gesagt?"
"Ich bin dein Mann." antwortete er.
"Aha" sagte sie sarkastisch. "Das erklärt alles."
"Willst du zurück?" Er blieb stehen, hielt sie noch immer am Arm.
Sie schüttelte den Kopf und lief weiter. Auf dem Weg zum Hotel schwiegen
sie. Ihr Kopf arbeitete auf Hochtouren. Sie kaute ewig an dieser Frage,
bis sie sie dann kurz vor ihrer Zimmertür doch stellte:
"Was willst du von mir?"
"Nichts" sagte er, während er sie sanft zu sich umdrehte. Er strich ihr
nur kurz übers Gesicht, bevor er sie ganz leicht an sich zog.
"Nichts und alles, meine Kleine. Denk drüber nach und jetzt schlaf schön.
Morgen ist Weihnachten.
Als die Tür hinter ihr zufiel, hielt sie ihre brennende Wange. Als hätte
er sie geohrfeigt brannte diese.
Ihr ganzer Körper schien zu brennen, als sie im Bett lag. Alles und
nichts, dachte sie immer wieder, während sie sich unruhig von einer Seite
auf die andere drehte.
Hatte sie nur geträumt? Was macht mich so unruhig hier? fragte sie sich
während sie keinen Schlaf finden konnte.
Sie fühlte noch immer seine Augen auf ihrem Körper. Augen, die sich
genommen hatten, was sie jetzt nur zu gern ihm geben würde.
Ein Mann, lachte sie leise, während ihre Hand den Weg zwischen ihre
Schenkel fand. Ein richtiger Mann.
Sie schloss die Augen und stellte sich vor, dass er auch jetzt in der Ecke
des Zimmers sitzen würde. Sie machte die Beine breit für ihn. Eine Weile
lag sie so da, mit gespreizten Beinen, die Schamlippen weit auseinander
gezogen. Komm sieh dir an, was du längst schon gesehen hast. Ich bin geil.
Ich bin nass. Für dich.
Heute Nacht mach ich es mir nur für dich. Sie rieb ihren Kitzler, war so
nass, dass sie kein Öl brauchte. Ihr Saft lief ihr bis zum Hintern
herunter. Sie kniete sich hin, hielt dem Mann, der nicht da war, ihren
Arsch entgegen, griff zwischen die Schenkel und senkte ihren Kopf aufs
Kissen. Als sie kam, spritzte sie in ihre Hand, schrie ihre Geilheit ins
Kissen und weinte.
Morgen ist Weihnachten, dachte sie.
Wer erträgt das schon ohne Liebe?
Und wer davor flieht, begegnet ihr. Denn auch eine Flucht ist eine Suche.
Sehnsucht kennt nur einen Ort. Einen Ort, der noch immer brennt wie ihre
Wange.
Morgen, denkt sie, bevor sie einschläft. Komisch, dass ein Orgasmus mich
immer so philosophisch macht.
Fortsetzung
Als sie am nächsten Morgen erwachte, kitzelte ein Sonnenstrahl ihre Nase.
Noch bevor sie sie Augen öffnete, fühlte sie diesen süßen Krampf in ihrem
Magen, den sie immer fühlte, wenn etwas Aufregendes bevorstand.
Sie riss die Augen auf und vergewisserte sich, dass der gestrige Tag kein
Traum war.
Nein, keine Berliner Mietwohnung.
Stattdessen hörte sie das laute Geschwätz der Zimmermädchen vor ihrem
Fenster, breites karibisches Spanisch, melodisch und einschläfernd.
Nein, sie wollte nicht wieder schlafen. Sie dachte an ihn, den Mann der
sie gestern so verwirrt hatte. Sie würde ihn heute wieder sehen und eine
merkwürdige Erregung, fast Vorfreude breitete sich in ihr aus.
Du spinnst, sagte sie zu sich selbst beim Zähneputzen. Das ist ein
frecher, arroganter Kerl, absolut überzeugt von sich - der hat dich heute
schon vergessen. Während sie sich schminkte, dachte sie an seinen festen
Griff, als er sie vom Barhocker zog. Diese selbstverständlich Besitz
ergreifende Geste. Ein Schauer lief ihren Rücken entlang.
Johanna - hörte sie wie durch einen Nebel die Stimme ihrer Mutter - wann
wirst du endlich erwachsen und suchst dir einen Mann, mit dem du eine
Zukunft haben kannst?
Während sie in die Schuhe schlüpfte, grinste sie und murmelte: Fröhliche
Weihnachten Mama. Was hältst du denn von dem Weihnachtsmann? Na ja, du
hast Recht. Auch schon zu alt für eine wirkliche Zukunft.
Als sie die Tür hinter sich ins Schloss zog, kniff sie für einen Moment
die Augen zusammen. Das gleißende Licht blendete sie. Am Pool brieten die
ersten Handtücher in der Sonne, bewacht von müden Familienvätern.
Krebsrote, sonnen creme glänzende Körper.
In der Hotelhalle schlich sie sich unbeobachtet am Porte vorbei, der
missmutig hinter dem Tresen saß und wohl schon bessere Nächte hatte.
Im Restaurant stand völlig deplatziert eine billige
Weihnachtsbaumfälschung aus Plaste, mit goldenem Spruchband: Feliz
navidad! behangen.
Sie sah sich kurz um, unauffällig, wie zufällig in die Runde schauend.
Nein. Er war nicht da. Vielleicht wohnt er gar nicht hier.
Sie holte sich einen Kaffee und beschloss schon beim ersten Schluck besser
zu Juana zu gehen, ihre "Mama cubana". Nirgendwo schmeckt der Kaffee
besser als in casa Juana.
Als sie das Restaurant verließ, lief einer der Kellner tatsächlich mit
Weihnachtsmannmütze an ihr vorbei.
Fehlt nur noch "Stille Nacht" dachte sie und floh.
Sie wählte den Weg am Strand lang. Der Sand war noch nicht so heiß wie
mittags unter ihren Füßen. Aber sie musste aufpassen, stachlige
Kaktusblüten lagen überall. Ihr Blick schweifte über den Strand, bevor er
wie immer am Wasser hängen blieb und sie dem kindlichen Impuls widerstand,
sich einfach in die Gischt zu setzen. Eine Weile hüpfte sie, um den Wellen
auszuweichen.
Fröhlich lief sie am Wasser entlang bis zum nächsten Hotel. Ein altes,
verfallenes Anwesen. Niemand wohnt mehr dort, gut bewacht von ein paar
Gustorios, kubanische Sicherheitsbeamte. Von denen gibt es dort mehr als
Zuckerohrhalme.
Sie durchquerte das Hotelgelände und stand mitten auf der einzigen Straße
des Ortes. Santa Lucia ist abgesehen vom wohlklingenden Namen
ausgesprochen hässlich. Abgesehen von vier oder fünf Hotels gibt es
faktisch nichts. Außer einer Art Ghetto vor dem sie jetzt stand.
Provisorisch zusammen gezimmerte Hütten. Zwei hässliche Plattenbauten ohne
Fenster, eine Schule auf deren Vorplatz die Ziegen grasten.
Sie klopfte an die Tür von casa Juana, trat ohne auf Antwort zu warten
ein. Nur ihre Tochter Isa saß rauchend am Tisch und lackierte sich die
Nägel. Im Nachthemd, mit Lockenwicklern und sichtlich erfreut sie zu
sehen.
Johanna bekam ihren Kaffee. Sie plauderten wie immer in einer Mischung aus
verschiedenen Sprachen miteinander. Isa und sie verstanden sich. Sie
mochte das Mädchen, zehn Jahre jünger als sie, war sie wie eine kleine
Schwester. Isa war eine Hure mit Herz, mit einem Traum, dem Elend
entkommen zu können. Isa weinte manchmal, wenn sie nachts von einem Freier
nach Hause kam. Dann hat sie mit Johanna Rum gesoffen und auf die Männer
dieser Welt geschimpft. Isa war 19.
Heute blieb Johanna nicht lange. Sie verabschiedete sich bald, denn sie
konnte auch hier keine Ruhe finden. Bevor sie ging, lackierte ihr Isa noch
die Nägel. In einem sehr dezenten Scharlachrot.
Jetzt sehe ich aus wie eine puta, lachte sie.
Das bist du doch, grinste Isa.
Sie lief zurück zum Hotel, inzwischen war es fast Mittag. Am "el Rapido"
einem kubanischem Imbiss waren die ersten älteren Herren versammelt.
Deutsche, Holländer, seltener Italiener. Sie schwitzten ihre Achselshirts
voll, das Bier kühlte von Innen und sie berichteten von den heißen
Erlebnissen der Nacht. Mit jedem Bier wurde die Frau schöner und am Ende
des Tages war auch ein 80jähriger überzeugt davon, dass seine 20jährige
chica nur aus Geilheit und Liebe ihm zu willen wäre. Die perfekte
Illusion.
Nein, auch hier konnte sie ihn nicht entdecken. Und sie war wirklich froh
darüber.
Kopfschüttelnd beschloss sie zurück zum Hotel zu gehen.
Das kann doch nicht sein, dass du hier anfängst nach diesem Mann zu
suchen. Er weiß doch, wo er dich finden kann. Schluss jetzt.
In der Halle winkte der Porte sie zu sich.
Auch das noch.
Kühl schob er ihr ein Päckchen über den Tresen. Fragend sah sie ihn an.
"Your husband" sagte er schulterzuckend.
Ihr Herz hüpfte vor Freude und Aufregung. sie eilte zu ihrem Zimmer. Am
liebsten hätte sie es schon unterwegs aufgerissen. Sie schüttelte es. Kein
Klappern.
Kaum im Zimmer riss sie es auf. Ein Brief fiel auf den Boden und als sie
das Papier zur Seite schob, zog sie ein nachtblaues Abendkleid heraus. Ihr
stockte der Atem und fieberhaft riss sie den Brief auf.
"Ich weiß, Du liebst Überraschungen.
Dieses Kleid wirst du tragen, wenn du dich entscheidest heute Abend MEIN
zu sein.
Zieh es an, du wirst sehen es passt.
Wenn du dich für diesen Abend entscheidest, dann stell den leeren Karton
vor die Tür.
Wenn nicht, behalte Kleid und Karton.
Wenn du dich entscheidest, wie ich es vermute, wirst du weitere
Anweisungen erhalten. Du wirst schön aussehen in diesem Kleid. Ich freue
mich auf dich."
Sie stand da mit dem Kleid in der Hand und las den Brief mehrmals. Dann
lächelte sie und zog das Kleid an, sah in den Spiegel und es passte
tatsächlich. Ihre Augen leuchteten merkwürdig intensiv und sie fühlte die
Spannung den Rücken hinauf kriechen.
Sie lächelte ihr Spiegelbild an und schloss den Deckel des Paketes. Mit
dem Fuß schob sie es vor die Tür. als sie diese geschlossen hatte, lehnte
sie sich für einen Moment dagegen. Sie hörte nichts.
Dann ging sie ins Bad, duschte, mehr um sich abzulenken. Als sie die Tür
vorsichtig öffnete, war das leere Päckchen weg.
Das Kleid lag auf dem Bett und sie setzte sich daneben, zog es über ihre
Knie und sah sich im Spiegel an. Ihre Haare waren nass und ein nasses
Rinnsal suchte seinen Weg direkt zu den Brüsten. Gänsehaut.
Nackt, mit dem Kleid auf den Knien konnte sie ihren Blick nicht von ihren
Augen lösen.
Dann sprang sie auf und verschwand im Bad, eilig als hätte sie
verschlafen, schminkte sie sich, Haare rauf, Haare runter - wie immer fiel
die Wahl auf die erste Variante.
"Verdammt" zischte sie als sie den Lidstrich verwischte. "Stell dich nicht
an wie ein Teenager. Es ist nur ein Mann. Kein Grund zur Panik."
Sie warf ihre Schminkutensilien ins Täschchen zurück und beschloss schön
genug zu sein und wenn sie es nicht wäre, beschloss sie, dass es ihr
gleichgültig wäre.
Alles eine Frage der Einstellung ... grinsend streckte sie sich selbst die
Zunge raus.
Und nun? Warten. Verdammt, ich hasse es zu warten. Nichts hasse ich so wie
untätiges Herumsitzen.
Sie versuchte zu lesen, aber dieses Buch beunruhigte sie noch mehr. Sie
versuchte zu schlafen, aber schon nach kurzer Zeit sprang sie wieder auf
und rannte ins Bad. Ihre Möse war nass, klebrige Feuchtigkeit zwischen
ihren Schamlippen. Na prima, dachte sie, hoffentlich gibt ´s da wo ich
SEIN sein soll, keine Hunde.
Diese Unruhe war unerträglich. Sie widerstand dem Impuls an den Nägeln zu
knabbern. Dabei fiel ihr auf, dass diese immer noch rot waren. Das geht
gar nicht. Sie kann doch nicht wie eine Hure rumlaufen ... scheiße, wo ist
der Nagellackentferner? Sie hatte ihn bei Isa vergessen ... oh nein.
Egal! Dann eben so. sie kann ja die Hände hinter dem Rücken verstecken.
Verdammt, warum kommt er nicht? Und was um alles in der Welt bedeutet
"Mein sein?"
Auf dem Höhepunkt ihrer Unruhe, mitten im schönsten Hirnfick klopfte es.
Sie sprang auf, zwang sich im gleichen Augenblick zur Gelassenheit und
stürzte zur Tür.
Wieder ein Päckchen! Niemand zu sehen. Eilig hob sie es auf und zog die
Tür hinter sich ins Schloss.
Diesmal klapperte es. Unschlüssig drehte sie es in den Händen, dann riss
sie es auf und sackte auf die Bettkante. Sie schluckte hart, denn
plötzlich wurde ihr Hals ganz trocken. Sie glaubte nicht, was sie sah.
Handschellen. Ein Paar Handschellen und ein Seidenschal.
Wieder ein Brief.
"Wie ich sehe, hast Du Dich richtig entschieden. Du wirst es nicht
bereuen.
Vertrau mir! Ich möchte, dass Du noch einen Schritt weiter gehst. Nur
diesen einen noch, bei allen weiteren werde ich bei Dir sein, mein Engel.
Du hast Dich gefragt, was es heißt, MEIN zu sein. Eine erste Kostprobe
liegt in diesem Päckchen.
Um 20:00h wirst Du mit verbundenen Augen und geschlossenen Handschellen
auf der Straße vor dem Hoteleingang stehen. Es wird jemand da sein, der
Dich zu mir bringt. Du wirst tun, was er sagt.
Wenn Du glaubst, das nicht zu wollen, dann kannst Du jetzt das Päckchen
wieder vor die Tür stellen.
Ich hole Dich ab, wir gehen essen und alles ist gut.
Solltest Du aber bereits jetzt schon feucht sein, überleg es Dir gut. Es
könnte sein, dass Deine geheimsten Fantasien sich gerade zu erfüllen
beginnen.
Ja, ich werde Dir wehtun, aber ich werde Dich auf eine Weise lieben, wie
Du noch nie geliebt worden bist"
Sie las diesen Brief wieder und wieder, verstand kein Wort und begriff
doch alles. Sie zitterte. Nackte Augen sahen ihr im Spiegel entgegen. Sie
knüllte den Brief in der Hand zusammen und kämpfte einen Augenblick mit
den aufsteigenden Tränen.
Eine Weile saß sie so da, äußerlich fast erstarrt, aber innerlich wach und
hoch erregt. Sie senkte den Kopf, ein Blick zur Uhr.
Sie hatte nicht mehr viel Zeit.
Jetzt war sie ruhig.
Sie hatte nichts zu entscheiden.
Es war längst geschehen.
Eine halbe Stunde später lief sie wieder am Pool vorbei, durch die Lobby.
Tuch und Handschellen in der Tasche.
Sie lief an lauten Touristen vorbei, sie sah die Umgebung , aber nichts
von all dem hatte noch irgendetwas mit ihr zu tun.
Sie war bereits außerirdisch, auf ihrem eigenen Stern.
Am Straßenrand knotete sie zunächst das Tuch am Hinterkopf so zusammen,
dass sie es nur noch über die Augen ziehen musste. Die Handschellen
klickten und sie zog das Tuch runter.
Dunkelheit.
Alle Geräusche wurden plötzlich doppelt so laut. Am lautesten waren
allerdings ihr Herzschlag und Atem. Sie hörte unmittelbar vor sich ein
Auto bremsen. Jetzt kam die Panik und der Weglaufreflex war so stark, dass
sie fast dankbar war für die Hand, die sich plötzlich um ihren Ellenbogen
legte.
"Seniora" - nicht SEINE Stimme.
Die Hand geleitete sie zum Auto. Sie wurde auf den Rücksitz gedrückt und
die Türen fielen zu. Dem Geräusch nach zu urteilen musste es sich bei dem
Auto um einen dieser halbverfallenen Amischlitten handeln. Aber das war
ihr jetzt egal. Nach wenigen Minuten hatte sie die Orientierung verloren.
Wenigstens wollte dieser Mensch, der dort fuhr ihr offensichtlich ein
Gespräch ersparen.
Die Gedanken erreichten sie nur noch als Fetzen. Sie war außerstande einen
klaren Gedanken zu denken. In ihrem Kopf liefen Bilder, Bilder die ihr
vertraut waren, oft benutzte Masturbationsvorlagen sofort wieder
weggesperrt, von heftigen Orgasmen geschüttelt.
Sie fuhren nicht mehr. Wieder wurde die Tür geöffnet. Wer auch immer es
war, er half ihr heraus.
Dann fuhr er fort und sie stand da. Allein. Nicht wissend wo. Nicht
wissend, was gleich geschehen würde.
Sie fühlte den kühlen Nachtwind auf der Haut, hörte das Rauschen des
Meeres und schmeckte die salzige Luft. Unter ihren Schuhen gab der Sand
nach. Sie war also in der Nähe des Meeres.
Aber das zu wissen, half ihr jetzt nicht.
Gerade als sie die Augenbinde vom Kopf ziehen wollte, hatte sie plötzlich
eine Hand im Nackenhaar. Gleichzeitig legte eine andere sich auf ihren
Mund, so dass sie nicht schreien konnte.
"Pst." machte er. ER war es, Gott sei dank!
"Ich bin da. Bleib ruhig. Schön, dass Du gekommen bist."
Für einen kurzen Moment drückte er sie an sich und sie entspannte sich
sichtlich.
" Ganz schön leichtsinnig bist du, meine Kleine. Was macht dich so sicher,
dass ich kein Perverser bin und dich in Stücke schneide?"
Stolz hob sie ihren Kopf und grinste ihn an.
" Die verschicken keine Kleider, sondern Messer."
Laut lachend zog er sie hinter sich her. Fast wäre sie gegen ihn geprallt,
als er stehen blieb.
"Ich sehe schon, wir werden viel Spaß miteinander haben. Hast du Hunger?"
"Und wie."
Weihnachtsferien 1
2
3
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