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Silvester bei Annabelle 1     Teil  1    2    3

 
   

Es waren wieder einige Monate vergangen. Es war Winter geworden und die Stadt war mit einer weißen Schneedecke überzogen. Als ich an einem Samstgmorgen aufwachte, es war ein paar Tage vor Silvester, sah ich aus meinem Fenster. Der Himmel war strahlend blau und mein digitales Thermometer zeigte eine unmenschliche Außentemperatur von -6 Grad. Verdammt! Da konnte man ja Depressionen kriegen. Ich verließ höchst widerwillig mein warmes Bettchen und zog mir einen Bademantel über. Als ich zum Frühstück erschien, waren meine Eltern bereits fertig mit dem Essen. »Guten Morgen heißt das, wenn man hereinkommt! Und zieh nicht so ein Gesicht!« Immer dasselbe Spielchen, aber ich hatte keine Lust auf Streit, deshalb zog ich mit. »Guten Morgen, liebe Mutter, guten Morgen, lieber Vater! Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen! Sollte dies nicht der Fall sein, so bedaure ich dies zutiefst!«, sagte ich mit ironischem Unterton. Meine Eltern sagten mir, daß sie heute irgendwo hin zum Spazierengehen fahren wollten, das konnte mir nur recht sein. Während ich in Ruhe frühstückte, verließen sie das Haus. Beim Frühstück dachte ich darüber nach, was ich Silvester anstellen sollte. Mit einem Freund auf eine Party gehen? Zu Corinna gehen? Bestimmt würde sie eine Party schmeißen! Anne würde bestimmt auch wieder dort sein. Ich war höchst unentschlossen. Wo ich gerade an Anne dachte, da schweiften meine Gedanken ab in den vergangenen Sommer, mir fiel die Party ein, auf der ich Anne gefickt hatte. Ich hatte sie seitdem nie wieder gesehen, mit Susan hatte ich nur in der Schule Kontakt gehabt. Eines Tages hatte sie mir mitgeteilt, daß sie nie wieder fremd gehen würde und sie hatte sich bis heute auch daran gehalten. Ich war auch nicht scharf darauf, von ihrem Freund halb tot geschlagen zu werden, also ließ ich die Finger von ihr. Das Läuten des Telefons riss mich aus meinen Gedanken. »Hallo, hier ist Annabelle! Wie geht's dir?« Annabelle! Wir hatten uns die ganze Zeit über feurige Briefe geschrieben, aber ihre Stimme hatte ich seit dem Sommer nicht mehr gehört. Mein Herz begann, schneller zu schlagen. »Gut, danke der Nachfrage! Und dir?« Was für ein blöder Gesprächsanfang, aber ich war eben nicht kreativer. Was sollte ich auch sagen! »Um die Wahrheit zu sagen: Ich habe dich vermißt.« Sie hatte mich vermißt. Während sie mir nachtrauerte, hatte ich mit zwei anderen Mädchen geschlafen, aber es war nur aus Lust passiert! Aber jetzt wo sie es sagte, wurde mir ganz warm ums Herz, sie war so aufrichtig und anhänglich! Mir wurde mit einem Male klar, daß auch sie mir fehlte. Was waren schon diese Frauen wert, mit denen ich es getrieben hatte? Mehr als Sex wollten sie sowieso nie. Nie wäre eine richtige Beziehung daraus entstanden. »Ich habe dich auch vermißt. Sehr sogar.« »Ich möchte dich gern wiedersehen. Ich dachte vielleicht, du könntest Silvester zu uns nach Bremen kommen. Ich würde mich sehr freuen.« Natürlich! Das war die Lösung. Silvester bei Annabelle. »Danke für die Einladung, ich bin dabei.« Annabelle sagte, sie würde mich abholen kommen. Das Feuer in meinem Herzen war wieder aufgeflammt, ich spürte das Verlangen, wieder mit ihr zusammen zu sein, ganz nah bei ihr. Nach dem Telefongespräch schwang ich mich trotz der Eiseskälte auf mein Fahrrad und fuhr mit Höchstgeschwindigkeit ins nächstgelegene Reisebüro, um mir Fahrkarten nach Bremen zu besorgen.

Endlich war der große Tag gekommen. Es war der 31.12. und ich saß im InterCity nach Bremen. Konnte das dumme Ding nicht schneller fahren? Die Zeit verging nur sehr langsam. Ich versuchte, zu schlafen, aber ich war einfach zu aufgeregt und so hörte ich Musik aus meinem Walkman. Der Zug kam nach dreistündiger Fahrt endlich mit quietschenden Bremsen zum Stillstand. Ich packte meinen Rucksack und sprang mit einem Satz auf den Bahnsteig. Alles war voller Menschen, einige begrüßten einander und umarmten sich. Ich sah mich um, konnte Annabelle aber nicht entdecken. Darum wartete ich, bis die Menge sich etwas gelichtet hatte und da sah ich sie endlich. Sie hatte mich bereits entdeckt und lächelte mich an. Sie sah immer noch so süß wie vor einem halben Jahr aus, die Haare trug sie noch genau so. Nur sah sie irgendwie reifer aus, sie hatte Make-up aufgetragen und sich sehr modisch gekleidet. Trotz der Kälte trug sie eine dunkelblaue Jeansjacke, die nur bis knapp über ihren Po reichte. Darunter trug sie einen dunkelgrauen Wollpullover. Um den Hals hatte sie einen hellbraunen Schal aus Wolle geschlungen, der gut zu dem Pullover und der Jacke paßte. Die sportlichen Beine steckten in einer enganliegenden Stretchhose, die ein ganz feines Muster aus kleinen schwarzen und dunkelgrauen Quadraten besaß. Annabelle trug elegante schwarze Lederschuhe mit hohen Absätzen. Kurz: Sie sah aus wie eines dieser unerreichbaren Mädchen, die man in feinen Einkaufszentren herumstolzieren sieht und die einen keines Blickes würdigen. Das tat Annabelle natürlich nicht. Der Bahnsteig war inzwischen fast leer, Annabelle und ich gingen zögernd aufeinander zu. Als wir uns trafen, beugte ich mich zu ihr herunter und wir umarmten uns lachend. Ich griff unter ihren Schultern hindurch, umfaßte ihren Rücken und hob sie hoch, so daß ihr Gesicht genau vor meinem war. Sie strahlte mich an. Ich küßte sie ganz sachte auf die Lippen und sie schloß genießerisch die Augen. Als sie sie wieder öffnete, konnte ich sehen, daß sie feucht waren. »Schön, daß du wieder bei mir bist«, sagte sie.

Mit der Straßenbahn und mit dem Bus fuhren wir zu ihr nach Hause. Während der Fahrt erzählte sie mir, daß ihre Eltern über Silvester bei Freunden seien. Indirekt sagte sie mir damit, daß wir freie Fahrt hatten, wir konnten alles machen, was wir wollten.

Annabelle wohnte mit ihren Eltern in einer gepflegten Neubausiedlung, in der es nur Reihen- und Einzelhäuser gab. Eine typische Siedlung für den Mittelstand, wahrscheinlich gab es hier viele junge Familien mit kleinen Kindern, die tagsüber miteinander in den Spielstraßen Fußball spielten.

Annabelle ging durch einen kleinen Vorgarten zu »ihrem« Reihenhaus. Während sie aufschloß, griff ich in meinen Rucksack und holte die Rose, die ich vor der Abfahrt für sie gekauft hatte, hervor. Drinnen überreichte ich sie ihr. »Danke! Das ist aber lieb von dir!« Sie kam zu mir und wir küßten uns erst normal, dann verschmolzen unsere Münder und unsere Zungen spielten in einem schlüpfrigen Tanz miteinander. Ein starkes Gefühl von Liebe breitete sich in meinem Herzen aus. »Ich muß dir etwas gestehen«, sagte ich zu ihr, als ich meine Zunge mit einem schleimigen Geräusch aus ihrem Mund gezogen hatte. »Du bist mir nicht treu gewesen?« »Ja, du hast recht. Woher weißt du das?« »Na ja, das mit Kerstin hat mir ja gezeigt, daß du leicht rumzukriegen bist, wenn es um das gewisse eine geht. Und da du ja nicht schlecht aussiehst, wird es bestimmt Mädchen gegeben haben, die dich gern im Bett wollten.« »Du bist mir nicht böse?« »Nein, jeder Mensch braucht doch sexuelle Befriedigung, sonst würde er doch verrückt werden. Ich war dir übrigens auch nicht treu…ich habe mit einem Jungen geschlafen, den ich auf einer Party kennengelernt habe, ich war betrunken…« »Laß uns das einfach vergessen und den Tag genießen, es ist ein ganz besonderer!« »Stimmt, Schwamm drüber!« Wir lachten beide verlegen. Wie schön, daß sie so unkompliziert war. Dann zeigte sie mir ihr Zimmer, welches sich im oberen Stockwerk befand. Es lag, genau wie das von Susan unter der schrägen Wand des spitzen Daches. Die Wände waren weiß und der Raum war mit Möbeln aus Kiefernholz ausgestattet. Zu meiner Überraschung stand auf dem Schreibtisch am Fenster ein Monitor, der PC befand sich unter der Schreibtischplatte. Annabelle hatte meinen Blick bemerkt. »Ich weiß nicht, was es für einer ist, ich schreibe nur Texte für die Schule damit.« »Du wärst auch das erste Mädchen, daß ich kenne, das weiß, was für einen PC sie eigentlich besitzt.« Sie lachte. »Du kannst heute Nacht bei mir im Bett schlafen, wenn du willst.« »Natürlich will ich das!!!«, antwortete ich mit gespielter Entrüstrung. »Wenn du willst, dann zeige ich dir heute ein bißchen die Stadt, obwohl es ja ziemlich kalt ist.« »Das macht nichts, außerdem kommt man ja nicht alle Tage nach Bremen.« Also legte ich meinen Rucksack in ihrem Zimmer ab und wir fuhren wieder in die Innenstadt. Diesmal hatte sich Annabelle eine warme, knallgelbe Daunenjacke angezogen, die zu ihrer sportlichen Erscheinung paßte. Sie zeigte mir die Bremer Innenstadt, hier gab es einige Sehenswürdigkeiten wie z.B. den Dom oder die Bremer Stadtmusikanten. In einem kleinen Viertel, der Altstadt, daß von vielen engen Gäßchen durchzogen war, aßen wir in einem gemütlichen (und teuren) Cafe ein Stück Kuchen und tranken jeder eine Tasse heißen Tee, der unseren ausgekühlten Körper das Gefühl von Wärme vortäuschte. Annabelle meinte, daß es am Abend ab 20 Uhr von einem Radiosender eine sehr große Party geben würde und wir beschlossen, diese zu besuchen. Um acht - wir waren inzwischen wieder zuhause - machten wir uns mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Weg zu besagter Party. Es war brechend voll und Annabelle und ich stürzten uns sogleich auf die Tanzfläche, um nach Herzenslust zu der klassischen Partymusik abzudancen. Annabelle trug wieder ihre schicke weiße Bluse und die Hose, die sie auch beim Bahnhof anhatte. Um die Hüfte hatte sie ihren Pullover geknotet. Beim Tanzen schielte ich des öfteren auf ihre Brüste und ich hätte schwören können, daß sie sich seit dem Sommer etwas vergrößert hatten. Beim Tanzen federten sie leicht mit. Die Musik machte gute Laune und so verging die Zeit bis 23:59 sehr schnell. Es war ein ausgelassener, lustiger Abend. »Drei, zwei, eins, Prost Neujahr!« gröhlte der DJ des Radiosenders in sein Mikro und alle umarmten sich. Man hörte aus allen Richtungen das Klirren von Sektgläsern. Ich stieß mit Annabelle an und wir sahen uns tief in die Augen. »Auf uns«, sagte ich zu ihr. »Auf die Liebe, sagte sie. Dann gingen wir nach draußen, um uns das Feuerwerk anzusehen. Es war verdammt kalt, ich legte den Arm um Annabelle und sie schmiegte sich an mich. In ihrem Gesicht konnte ich ein permanentes Lächeln feststellen, sie war glücklich.