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Nathalie

 
   

"Schatz, Sabine fragt, ob Du Dich um die Entjungferung von Nathalie kümmern kannst. Du weisst ja, dass die beiden unheimlich auf Dich stehen. Ich finde, Du kannst es ruhig machen."

Ja, sie standen auf ihn. Mutter und Tochter, die nur ein paar Häuser entfernt von Anke und Thiery wohnten, bewunderten Thiery wegen seiner Ruhe und Zärtlichkeit. Anke wusste das und empfand ausser Liebe für ihn auch eine ganze Menge Stolz. Seine Intelligenz war allgemein geachtet. Er konnte weder verletzend noch arrogant sein, das hätte seinem freundlichen Wesen widersprochen.

"Ja, mein Herz. Sag' ihnen, dass ich mich morgen Abend darum kümmern werde."

"Ich weiss ja, dass Du ganz behutsam sein wirst."

Thiery lehnte sich zurück und steckte sich eine Zigarette an.

Als sie noch eine kleine Göre gewesen war, hatte Nathalie ihn manchmal genervt. Im Lauf der Zeit hatte er sich an ihre eher zurückhaltende Art ihm gegenüber gewöhnt.

Es klingelte. Thiery sass im Hausmantel an seinem Schreibtisch, während Anke zur Haustür ging. Sie bat Mutter und Tochter herein.

Sie gingen zu dritt ins Wohnzimmer und verteilten sich auf Couch und Sessel. Thiery kam hinzu und setzte sich neben Nathalie. Sie sah gut aus und verströmte einen dezenten Duft von Yves Rocher. Er kannte das Aroma, hatte ihr bei Gelegenheiten einen Flakon geschenkt.

Vorher hatte er sich noch stehend zu ihr hinunter gebeugt, um das übliche Wangenküsschen zu tauschen. Diesmal war es etwas anders. Beide wussten, dass es heute nicht dabei bleiben würde.

"Du musst keine Angst haben", sagte Anke zu Nathalie, während sie Kaffee einschenkte. Sabine sass stumm an der Stirnseite des Tischs.

Nathalie nahm Milch und Zucker und versuchte, sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen. "Nein, Angst hab' ich nicht."

Thierry legte seine Hand auf ihren Oberschenkel und sagte: "Wir haben ja Zeit, Nathalie. Der ganze Abend gehört uns. Wenn Dir irgendwas nicht gefällt oder fehlt, dann sag' es einfach." Er nahm seine Hand wieder zurück und griff ebenfalls zu Milch und Zucker.

Anke verstand sich gut mit ihrer Nachbarin, hatte oft die Mutter vertreten oder mit etwas ausgeholfen, was grade in der Küche fehlte.

Nathalie schaute Anke fragend an.

"Sei ganz entspannt. Es wird Dir nichts Schlimmes passieren. Du kennst doch Thiery. Er möchte ja, dass Du auch morgen wieder kommen kannst, so wie immer, ganz normal. Und ich und Deine Mutter sind auch da. Wenn Du willst, bleiben wir bei Euch. Aber vielleicht willst Du ja auch lieber..."

"Nein, nein", unterbrach Nathalie. Sie überlegte kurz und blickte zu ihrer Mutter, die gerade ihre Tasse abstellte und sagte: "Ich geh' jetzt erst mal wieder heim und komm' nachher wieder." Sie verabschiedete sich von Thiery mit einem tiefen Blick in die Augen, dessen Bedeutung nur sie selber kannte.

Thiery griff zur Gauloises-Schachtel und bot den Damen eine an, bevor er sich selber bediente.

"Was wir heute tun, machen wir nur für Dich und nur heute." Er streichelte Nathalies Wange mit den Fingerrücken. Sie schaute ihn an, warf dann ihre Arme um seinen Hals und presste sich mit der Seite ihre Kopfs an seine Brust.

Er fuhr ihr mit der rechten Hand unter das T-Shirt, um ihr den Rücken zu streicheln, und dann mit der linken auf eine ihrer Brüste, dann auf die andere. Über ihre Schulter hinweg blickte er zärtlich zu Anne, die nun ebenfalls mit einer Hand über Nathalies Rücken fuhr.

Dann zog er ihr langsam das T-Shirt über den Kopf. Ihm war klar, dass er sie nun nicht weiter wie ein Mädchen behandeln konnte. Ein Gedanke, an den er sich erst gewöhnen musste. Wie eine Frau konnte er sie ebenso wenig behandeln, denn sie war noch keine.

Hoffentlich würde er sie auch morgen wieder unbefangen und uneigennützig behandeln können. Im Moment sah die Behandlung etwas anders aus.

Er vernaschte sie nach Strich und Faden.

Nathalie genoss ihre Entjungferung. Ihre Mutter hatte sie ihr zum achtzehnten Geburtstag geschenkt. Alle Mädels im Dorf wollten das jetzt auch haben.

In Thierys Tasche piepte eine SMS. Er sass auf der Terrasse des Bistro in Haslach und griff zu seinem Handy. Die Nachricht lautete: "Rufen Sie mich doch bitte gegen 17 Uhr an. Gruss Frau R.". Es folgte noch eine Telefonnummer mit der Kölner Vorwahl 0221, die er kannte. Die Nummer war auch keine Handynummer.

Er steckte das Gerät wieder in die Jackentasche und bestellte sich noch einen der bunten alkoholfreien Cocktails. Ihm war nach süss und die Sonne schien.

"Hallo, Frau R., hier Thiery. Vielen Dank für ihre SMS", hörte er sich eine halbe Stunde später sagen. Eine weiche, aber entschieden Frauenstimme klang erleichtert: "Danke, dass Sie mich anrufen. Sie wissen ja, weswegen ich mich an Sie wenden möchte."

"Selbstverständlich, Frau R.". Auf seiner Visitenkarte stand seit einiger Zeit "Zärtlicher Entjungferer" als Berufsbezeichnung.

"Möchten Sie, dass ich Sie in Köln besuche? Vielleicht morgen mittag?"

"Oh ja, das wäre sehr schön. Ich wohne in der Südstadt. Kennen Sie sich in Köln ein bisschen aus?"

Sie nannte ihm eine Hausnummer am Ubierring und versicherte: "Kein Problem, Frau R., dann also bis morgen."

Er hatte gelernt, keine unnötigen Erklärungen abzugeben. Sollte die Dame ruhig glauben, dass er sich in allen grösseren Städten Deutschlands auskannte, obwohl er im Schwarzwald wohnte. Er hätte ja auch nur den Routenplaner aufrufen müssen. Tatsächlich hatte er jedoch ein paar Jahre in Köln gewohnt, in der Volksgartenstrasse 17, und war auch öfter im Haus Nr. 40 gewesen. Von dort hatte man einen schönen Blick direkt auf den Weiher des Volksgartens.

Das war lange her. In Gedanken fuhr er vom Ubierring über den Chlodwigplatz die Merowingerstrasse hinunter, um zu sehen, wie sich das Viertel verändert hatte.

Aber vorher hatte er einen Job zu erledigen.

Von der Autobahn aus war er über die Bonner Landstrasse stadteinwärts gefahren. Als er am Chlodwigplatz auf die Uhr schaute, war es eine halbe Stunde zu früh. Er beschloss, noch einen Schlenker Richtung Volksgarten zu machen.

Am Eifelplatz entschied er sich, über die Ringe wieder zurück zu fahren. Nicht ohne noch einmal kurz in die Moselstrasse geblickt zu haben.

Bevor die auflebenden Erinnerungen zu viel Platz in seinem Fühlen und Denken einnehmen konnten, begann er sich nun auf seine Kundin zu konzentrieren. Er kannte sie ja nur vom Telefon. Ihre Stimme hatte sehr angenehm geklungen, ja sogar, das wurde ihm erst jetzt richtig bewusst, regelrecht erotisch. Die Dame war in sexueller Hinsicht mit allen Wassern gewaschen, das erschien ihm sicher. Warum sonst hätte sie sich die Mühe gemacht, sich für die Entjungferung ihrer Tochter an einen Spezialisten wie ihn zu wenden.

Die meisten Eltern denken nur daran, wie sie eine frühzeitige Defloration der Heranwachsenden verhindern können. Wenn dies dann immer schwieriger wird, beobachten sie misstrauisch, wie häufig das Töchterchen den Freund wechselt. Jeden neuen prüfen sie insgeheim und argwöhnisch, aber eben nur innerlich und ohnmächtig, darauf hin, wie er sich als Schwiegersohn machen würde.

Der Gedanke an die erste Nacht, die meistens schon mit irgendeinem anderen stattgefunden hat, bevor der Zukünftige überhaupt zum Zuge kommt, wird in den elterlichen Erwägungen meist nett verdrängt. "Da muss sie eben durch", denken sie.

Nicht so Frau R.. Sie wollte es ihrer Tochter nett machen. Dafür war Thiery genau der Richtige.

Er besorgte es ihr.

Als Frau R. wieder einigermassen zu Atem gekommen war, sagte sie: "Jetzt sollten wir über meine Tochter reden."

Ihr schönes langes Haar war total zerzaust. Innerlich nannte er sie "Madame Rapünzel", ihr richtiger Name war Regina Rosenstock.

Regina war eine dieser Frauen, die wissen, was sie wollen und wie sie es bekommen. Eigentlich hatte sie Thiery verführt, er jedenfalls nicht sie. Er hatte sich gerne auf ihre Spielchen eingelassen, obwohl oder weil sie für ihn durchschaubar waren.

Er war bereit, auch noch etwas länger ihr Spielball zu sein. Es machte ihm Spass. Ihr offenbar auch. Keiner von beiden hatte Absichten oder Erwartungen, die über den Tag hinaus gingen. Das kannte er von Berufs wegen, jedenfalls was ihn betraf.

"Regina", sagte er mit seinem verschmitzten jungenhaften Lächeln, das alle Frauen an ihm liebten, "dies ist das erste und letzte Mal." Und nach einer Kunstpause, die sogar Frau Rosenstock für eine Zehntelsekunde verunsichert hatte: "Dass ich Deinen Vornamen ausspreche. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich Dich "Königin" nenne."

Thiery musste an seinen Lieblingsschriftsteller Georges Simenon denken, dessen erste Ehefrau Regina geheissen hatte. Er nannte sie immer nur Tigy. Überhaupt Simenon, von ihm hatte er schon einiges gelernt. Er streichelte ihre Brüste, knetete zärtlich und saugte und biss, abwechselnd links und rechts, von zärtlich bis etwas heftiger. Die Frauen mochten seine Art, auch nachher noch lange zärtlich zu bleiben und ihren Körper zu liebkosen. Frau R. machte hier keine Ausnahme.

"Wie alt ist denn Deine Tochter?" fragte er.

Sie schaute ihn mit einem Blick an, der nur eins bedeutete. Dass dies im Moment keine Rolle spielen sollte. Wahrscheinlich auch später nicht.

Frauen, die Thiery zu sich bestellten, obwohl sie überhaupt keine Tochter hatten, gab es immer wieder. Sie waren ein Berufsrisiko, mit dem Thiery leben und umgehen konnte.

Es gab auch solche, die mit dem Alter der Tochter schummelten. Auch bei diesen behielt Thiery sich allein die letzte Entscheidung vor.

"Ich hab doch gar keine Tochter", sagte Madame Rapünzel.

"Dass Du hier allein lebst, war mir gleich klar. Hätte höchstens sein können, dass Du mich im Auftrag einer Freundin angerufen hättest, ist alles schon vorgekommen. Ich lade Dich zum Essen ein."

Sie sagte eine Sekunde lang nichts.

Thiery fuhr fort: "Ich kenne hier eigentlich nur "Chez Alex" und das "Weinhaus im Walfisch". Ich würde Dich gerne in ein Restaurant Deiner Wahl einladen, hier im Vringsveedel. Das Severinstor habe ich immer nur von der Chlodwigplatz-Seite aus gesehen, würde gerne mal durch gehen."

Frau R. war wieder ganz sie selbst und erschien einigermassen erleichtert bis erfreut über das Angebot. Die Frage war nur noch, ob man zu Fuss gehen oder den Wagen nehmen sollte. Was das Restaurant betraf, wusste sie schon wieder genau, was sie wollte.

Regina Rosenstock war eine jener Frauen, die sich zwar gerne den Anschein einer gewissen Überlegenheit geben, im Grunde aber gerne ver- oder entführt werden, auf jeden Fall geführt. So zog sie es vor, keinen eigenen Vorschlag zu machen, was das Restaurant betraf, sondern sich den, wenn auch noch so geringen, Kenntnissen Thierys anzuschliessen.

Man begab sich zu Alex und speiste quer durch die Karte. Gebratene Entenleber war dabei und Milchlamm, also foie de canard poelé und agneau de lait. Beim pousse-café, man hatte sich auf einen alten Armagnac geeinigt, wusste Thiery, dass er seine Grenze erreicht hatte.

Sie fuhren per Taxi zurück zum Ubierring, wo noch Thierys Wagen stand, und trennte sich dann. Thiery wollte es offen lassen, ob und wann man sich wieder sehen würde. Er redete sich ein, dass es ihm nicht unbedingt darauf ankomme, eine längere Affäre zu beginnen und dass es ihm egal sein könne, was Madame Rapünzel denke, fühle und erwarte. Das war ihr Problem, nicht seins.

Er war es von Berufs wegen gewöhnt, Sex immer nur als Geschenk des Augenblicks zu erleben, ohne Anspruch auf irgendwelche Verlängerung. Während seiner Arbeitssitzungen, -Liegungen und -Stellungen mit jungen Damen sprach er oft innerlich mit sich selbst und sagte dann Sätze wie: „So, meine Süsse, jetzt geb' ich's Dir und morgen ist wieder eine andere dran.“ Er verbot sich auch, sich dessen zu schämen, da er nie Versprechungen machte, die über den Tag hinaus gingen.

Er hatte einen Heimathafen, den er nie verheimlichte. Die jungen Dinger, die seine Dienste auf Empfehlung, meist von Freundinnen, in Anspruch nahmen, hätten sich manchmal ganz gerne eingeredet, dass sie sich in ihn verlieben könnten, waren aber meist darauf vorbereitet, dass da nichts zu machen war. Thiery konnte so hart sein wie er zärtlich war und auch Frau R. Hatte dies zu spüren bekommen.

Thiery war für sie eine Herausforderung, denn einen Mann wie ihn hatte sie noch nie gekannt. Sie liess eine Woche verstreichen, ohne etwas zu unternehmen. Thiery rief nicht an, sie hatte es auch nicht ernsthaft erwartet. Sie sehnte sich nach seiner Zärtlichkeit, was sie sich nur mit grosser Überwindung einzugestehen wagte. Aber sie war eine Frau und konnte mit ihren eigenen Widersprüchen besser leben als Männer dies gemeinhin konnten.

Sie beschloss, aufs Ganze zu gehen. Sie wollte wissen, ob man ihrem Charme, wenn sie ihn gezielt einsetzen würde, widerstehen würde. Dass sie schön und intelligent war, wusste sie. Ihr Körper war perfekt und sie verfügte über eine Bildung, die sich mit der von Thiery durchaus messen konnte. Die Frage war nur, wer von beiden härter oder gar wirklich hart sein konnte, wenn es darauf ankam. Hier, so spürte sie jetzt ganz deutlich, war sie Thiery überlegen.

Sie war sicher, dass er, wenn man wirklich Druck auf ihn ausüben würde, letztlich der Schwächere wäre, so cool er sich auch geben mochte und so sehr es ihr gefiehl, sich ihm unterzuordnen. Aber um sich ihm unterordnen zu können, um ihn dann doch auch immer wieder in die Richtung zu lenken, in der sie ihn haben wollte, musste er erst einmal da sein.

Thiery war wieder daheim und Anke hatte ihm schon einige Namen und Termine notiert. Gleich am nächsten Tag erwartete ihn eine gewisse Carmen, eine Freundin von Nathalie, die ihm schon vor einiger Zeit angeboten hatte, seine Sekretärin, Assistentin und rechte Hand zu sein.

Nathalies Wunschgedanke dabei war, dass sie so in regelmässigem Kontakt mit Thiery bleiben könnte. Anke hatte schliesslich ihren eigenen Beruf und war manchmal etwas überfordert mit der Aufgabe, immer wieder zukünftigen Kundinnen gegenüber Thierys Qualitäten zu beschreiben. Sie liebte ihn und er liebte sie, aber manchmal müsste es doch für beide besser sein, Privat- und Berufsleben deutlich voneinander abzugrenzen, dachte Nathalie.

Thiery verabredete sich mit ihr, um die Einzelheiten der zukünftigen Zusammenarbeit, zu der er sich inzwischen entschieden hatte, zu besprechen.

Nathalie sollte auch dafür zuständig werden, freundliche Telefonate mit Frauen wie Regina Rosenstock zu führen. Thiery ahnte nämlich, dass Madame Rapünzel etwas im Schilde führte. Darauf wollte er vorbereitet sein.

Ausserdem wusste er, dass Nathalie von ihrem ersten Dreier träumte.

Nathalie hatte mittellanges schwarzes Haar und war seit Kurzem keine Jungfrau mehr. Sie versuchte, sich nicht anmerken lassen, wie wild ihr Schmetterlinge im Bauch herumschwirrten. aber Thiery doch spüren lassen, dass er hundertprozentig auf sie zählen konnte, falls er es nicht schon selber wusste. Sonst konnte sie ihre Gefühle ganz gut verbergen und beherrschen.

Sie hatte Spass am Sex gefunden und seit dem ersten Mal mit Thiery schon weitere Erfahrungen gesammelt. Nathalie hatte das sichere Gefühl, dass Thiery der ideale Arbeitgeber für sie war und sie die ideale rechte Hand für ihn.

Sie wollte ihn nicht für sich allein haben und wusste, dass dies auch nie möglich sein würde. Im Gegenteil machte ihr der Gedanke Spass, Sex mit wechselnden Partnern zu haben, von denen Thiery nur einer, wenn auch ein bevorrechtigter sein würde. Sie sah sich als seine Sekretärin im Büro, die jederzeit bereit ist, Hand mit anzulegen, wenn Not am Mann oder besser der Frau war. Sie wollte Thiery bei seinen Entjungferungen assistieren und das sagte sie ihm auch.

"Eine gute Idee, Nathalie. Ich denke schon seit einiger Zeit daran, eine Praxis aufzumachen und Privatleben und Beruf zu trennen. Ich engagiere Dich."

Jetzt wurde sie doch kurz rot, fasste sich aber sofort wieder und sagte nur: "Danke".

"Du musst Dich halt ein bisschen um den Papierkram kümmern. Wir müssen geeignete Räume finden und dann ein Gewerbe anmelden. Dir wird schon was einfallen, unter welcher Bezeichnung wir das laufen lassen können. Praxis für Defloristik wird ja wohl kaum gehen, Und dann bist Du meine Assistentin, wenn es zur Sache geht."

Sie freuten sich beide auf ihre bevorstehende Zusammenarbeit und Nathalie bemühte sich, ernst und seriös zu schauen, konnte dann ein kurzes Lächeln und einen etwas längeren Blick in Thierys Augen nicht unterdrücken.

Thiery sagte: "Das müssen wir feiern. Zieh Dich aus und verwöhn mich ein bisschen, wenn Du magst."

Ja, sie mochte, Sie entkleidete sich wie in einer Arztpraxis und mit ruhiger Selbstverständlichkeit. Als sie dann nackt vor ihm stand und Thiery nichts anderes tat als sie freundlich anzuschauen, griff sie langsam zum Gürtel seiner Hose. Thiery sagte nichts und streichelte ihren Kopf, der sich weiter abwärts bewegte.

Thierys Praxis lief von Anfang an gut. Es kamen Töchter und Mütter sowie Frauen jeden Alters, die einfach nur Sex wollten.

Manche kamen nachmittags und brachten ein Stück Kuchen mit, für den Kaffee danach.

Thiery wusste immer, was jede brauchte. Manchen bot er an, ungestört und unkommentiert mit seinem Glied zu spielen. Er lag dabei auf dem Rücken und sah fern. Es war dann der Frau überlassen, wie weit sie gehen wollte.

Viele waren es so sehr gewohnt, dass alles nach Plan des Herrn ablief, dass sie es genossen, nach Belieben zu streicheln oder zu massieren. Sie konnten dabei beobachten und erfahren, wie die unterschiedlichen Reaktionen und oft vorübergehenden, leichten bis stärkeren Erektionen kamen und nachliessen. Thiery hatte immer Zeit und verfolgte keine eigenen Ziele.

Nathalie trat ohne anzuklopfen ein. Sie war nur mit einem bunten durchsichtigen Pareo bekleidet und trug ihr langes schwarzes Haar wie immer offen. Sie setzte sich neben Thiery auf die behagliche Behandlungsliege. Der Kundin gab sie durch einen freundlichen Blick zu verstehen, dass sie sich nicht stören lassen solle. Dann machte sie Thiery mit sanfter Stimme die Mitteilung: "Frau Rosenstock sitzt im Wartezimmer."

Lange hatte er nichts von ihr gehört. Er wusste, dass sie nicht aufgeben würde.

"Sag' ihr, dass ich sie in einer Viertelstunde empfangen werde."

Madame Rapünzel, wie er sie immer noch nannte, war gekommen, um ihm ein geschäftliches Angebot zu machen.

"Es wäre doch schade", meinte Frau Rosenstock, während sie sich ein Zigarillo ansteckte, "wenn Deine Geschäftsidee nur Deinem kleinen Kundinnenkreis zugute käme."

"Naja, so klein ist er nun auch wieder nicht", konstatierte Thiery knapp.

"Ich schlage Dir vor", fuhr sie unbeirrt fort, "eine Franchise-Kette von Thiery-Praxen aufzubauen. Um das Organisatorische kümmere ich mich. Deine Nathalie behältst Du als Sekretärin."

"Das kannst Du vergessen."

"Du bringst anderen Männern Deine Methode bei."

"Es gibt keine Methode und ich bin kein Ausbilder. Nein, das kannst Du wirklich vergessen, tut mir leid für Dich. Und Nathalie werde ich weder zu meiner noch zu Deiner Sekretärin degradieren. Sie ist die Seele meiner Praxis und auch nicht zu ersetzen."

"Aha, daher weht der Wind." Sie hatte nichts verstanden. "Dann muss ich mir wohl was anderes einfallen lassen."

"Ja, das wirst Du wohl müssen. Ich kann Dir dabei nicht helfen."

"Naja, Du wirst auf jeden Fall noch von mir hören, so oder so." Das sollte geheimnisvoll klingen, machte Thiery aber nicht neugierig. Etwas hilflos bemüht, sich ihre Niederlage nicht anmerken zu lassen, verabschiedete sie sich.

Am nächsten Morgen sass in Thierys Wartezimmer eine tote nackte Frau, die er nicht kannte.

Carmen hatte sie entdeckt, als sie die Praxis aufschloss. Sie war seit Kurzem Nathalies Assistentin und diejenige, die morgens als erste kam. An diesem Tag erlebte sie den ersten grossen Schock ihres Lebens. Völlig verschreckt und aufgelöst beantwortete sie die Fragen der Polizei.

Auch Nathalie und Thiery, die kurz nach Carmen gekommen waren, konnten sich und der Polizei nichts erklären. Sie kannten die Tote nicht und hatten keine Ahnung, wie und ob sie tot oder lebendig in das Wartezimmer gekommen war. Es gab keine Hinweise auf einen Kampf, keine Blut- oder Schleifspuren und keine Spuren eines Einbruchs.

Als die Leiche entfernt und die Spurensicherung abgezogen war, ging Thiery mit beiden zum Essen, die Praxis blieb für den Rest des Tages geschlossen.

"Wie geht es Dir, Madame Rapünzel?" begann Thiery am Tag darauf sein Telefongespräch mit Regina Rosenstock.

"Danke, mir geht es gut. Hast Du es Dir noch einmal überlegt?"

"Ich denke über vieles nach. Man hat mir eine Leiche ins Wartezimmer gesetzt." Regina sagte nichts.

In der Praxis herrschte bald wieder Alltag, es wurde weiter normal gevögelt. Thiery, Nathalie und Carmen waren ein eingespieltes Team und ihr Kundinnenkreis vergrösserte sich weiter. Es hatte sich herumgesprochen, wie schön es war, nicht nur Sex mit Thiery zu haben, sondern dabei auch noch von Nathalie oder Carmen oder beiden begleitet zu werden.

Auch die Assistentinnen untereinander verstanden sich gut. Thiery freute sich jedesmal, wenn er ins Büro kam und Zeuge von Zärtlichkeiten zwischen ihnen sein durfte. Sie tauschten diese auch ausserhalb ihrer normalen Einsätze aus.

Regina hatte anderes im Kopf als Sex. Sie wollte ihrem von Thiery so geschmähten Vornamen Ehre machen und Königin einer kommerziellen Kette werden. Dazu war ihr jedes Mittel recht. Wenn Thiery sie nicht zur Partnerin wollte, dann würde sie ihm zeigen, wozu sie auch allein fähig war.

Immer öfter tauchte der Name ihres Kettengeschäfts in den einschlägigen Anzeigenteilen von Zeitungen und Zeitschriften auf. Sie übernahm Teile von Verkaufsstrategien so unterschiedlicher Unternehmen wie Tupperware und Zeugen Jehovas und verschmolz alles zu einem Konzern, der irgendwo zwischen Kaffeefahrten und Swingerclubs anzusiedeln war.

Hauptsache, die Kundinnen wurden irgendwie dazu veranlasst, Geld für etwas auszugeben, das ihnen so sehr fehlte.

"Tödliche Doktorspiele" hatte inzwischen ein Boulevardblatt getitelt und den kleinen Doktor Thiery schlagartig berühmt gemacht.

Regina Rosenstocks Sex-Imperium, dem sie den bedeutungsreichen Namen RR gegeben hatte, wurde immer grösser.

"Der wahre Rolls Royce des Sex", wie Thiery von anderen Blättern genannt wurde, erhielt jetzt Zulauf von reichen Damen aus aller Welt. Die Expansion, die Regina Rosenstock brauchte, um ihre Sex-Kette zum Inbegriff dessen zu machen, was in Wahrheit nur Thiery bot, nämlich personalisierten Sex, also PS statt RR, war für Thiery kein Thema. Er konnte sich seine Kundinnen aussuchen und die Höhe seiner Umsätze und Gewinne selber bestimmen.

Im Wartezimmer sassen auch weiterhin junge Verkäuferinnen und mittelalterliche Damen, die nur den normalen Tarif bezahlten. Die hinzugekommenen Gattinen von Industriellen, Promis und Politikern mussten richtiges Geld hinlegen, das Thiery unabhängig machte.

Regina Rosenstock wurde mit ihrem Geschäft reich, aber nicht glücklich. Sie beneidete Nathalie um ihren Platz an Thierys Seite.

Sie war nicht die einzige.